Influencer und der Fiskus: Steuerliche Herausforderungen in der Schweiz

Im Zeitalter der Digitalisierung verschieben sich die Berufswünsche der Jugendlichen hin zu digitalen Berufen. Sein eigener Chef sein sowie zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten ist der Traum vieler Jugendlicher. Wir zeigen in einer kurzen «Tour d’Horizon» auf, welche steuerlichen Herausforderungen und Fragestellungen sich aus derartigen Tätigkeiten ergeben.

Stärkerer Einfluss von Influencern

Was man in der analogen Welt als Mund-zu-Mund-Propaganda kennt, sind online die Influencer. In der heutigen Zeit haben persönliche Empfehlungen von Influencern einen grösseren Einfluss als herkömmliche Werbemassnahmen. Durch den Einsatz von Influencer-Kooperationen erreichen Unternehmen ihre Zielgruppe und bauen so eine persönlichere Verbindung zu ihren Kunden auf. Influencer sind wichtige Akteure in einer von sozialen Medien geprägten Welt geworden.

Steuerliche Herausforderung: Ein Blick auf die Besteuerung anhand eines fiktiven Beispiels

Die Einnahmequellen

Sofia ist 21 Jahre jung, wohnt in St.Gallen und ist eine erfolgreiche Influencerin. Sie betreibt folgende Social-Media-Kanäle:
– TikTok-Kanal mit 1 Mio. Abonnenten
– Instagram-Kanal mit 500 Tsd. Abonnenten
– Youtube-Kanal mit 250 Tsd. Abonnenten
Als Influencerin profitiert Sofia von verschiedenen Einnahmequellen. Unternehmen bezahlen sie dafür, dass sie ihre Produkte in Videos und Bildbeiträgen auf ihren Social-Media-Kanälen bewirbt. Die Produkte erhält sie kostenlos zum Testen, bevor sie eine Kooperation eingeht und diese bewirbt. Zudem generiert sie Werbeeinnahmen über Werbeclips, die vor, während und nach ihren YouTube-Videos angezeigt werden. Dank ihrer Bekanntheit wurde sie als Gast in eine Talkshow eingeladen und erhielt dafür eine Vergütung. Ein bekanntes Wellnesshotel in Österreich lud sie für zwei Tage ein, einschliesslich Anreise, Übernachtung und Verpflegung. Im Gegenzug teilte sie ihren Aufenthalt auf ihrem Instagram-Kanal mit ihren Followern.

Aufstellung Einnahmen

Einnahmen
Bezahlte Kooperationen Fr. 50'000
Werbeeinnahmen des Youtube-Kanals Fr. 3'000
Gast bei Talkshow Fr. 500
Kostenlose Produkte und Erlebnisse (zum Marktwert) Fr. 10'000
Total Einnahmen und kostenlose Produkte Fr. 63'500

Laut der «Future of Jobs»-Studie des WEF sagen Prognosen voraus, dass aufgrund der Digitalisierung in Zukunft bis zu 60% der jetzigen Jugendlichen in Berufen arbeiten werden, die bis jetzt noch nicht vom Bund anerkannt sind oder die es noch gar nicht gibt.

Besteuerung der Schweizer Einkünfte

Sofia muss gemäss der Einkommensgeneralklausel (Art. 16 Abs. 1 DBG) sämtliche Einkünfte
versteuern. Grundsätzlich werden Influencer als Selbstständigerwerbende (Art. 18 ff. DBG)
besteuert. Von einem Hobby kann aufgrund der regelmässigen und geplanten Posts sowie der
Gewinnerzielungsabsicht nicht ausgegangen werden. Ihre schweizerischen Einkünfte aus der
Erwerbstätigkeit als Influencerin sind in diesem Fall im Grundsatz als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren.

Besteuerung der ausländischen Einkünfte

Bei den Einkünften aus dem Ausland (Werbeeinnahme Youtube, bezahlte Kooperationen mit
ausländischen Marken und kostenlose Produkte und Erlebnisse von ausländischen Unternehmen) ist zu unterscheiden, ob diese Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, Lizenzen an Rechten oder eine künstlerische Tätigkeit darstellen. Die Unterscheidung von selbstständiger Erwerbstätigkeit und künstlerischer Tätigkeit liegt im Unterhaltungscharakter. Welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht, ist im Einzelfall dem Doppelbesteuerungsabkommen mit dem betreffenden Staat zu entnehmen.

Kostenlos aber steuerpflichtig

Die kostenlosen Produkte sowie der kostenlose Aufenthalt im Wellnesshotel inkl. Verpflegung
und Anreise stellen Naturalleistungen dar, welche ebenfalls steuerbar sind. Im vorliegenden Fall geht Sofia eine Art Tauschgeschäft ein und erhält im Gegenzug für die geleitstete Arbeit kostenlose Produkte beziehungsweise Erlebnisse. Daher handelt es sich bei den kostenlosen Produkten
nicht um Schenkungen, sondern um Vergütungsersatz. Diese Naturalleistungen werden zum
Marktwert bemessen.

Welche Abzüge können Influencer geltend machen?

Den Einkünften sind die geschäfts- bzw. berufsmässig begründeten Ausgaben (z.B. Video-/Fotoequipment, Beleuchtung, Treuhandkosten) gegenüberzustellen (Art. 27 DBG). Gerade bei Influencern ist die Abgrenzung zwischen privatem Lebensbedarf und abzugsfähigen geschäftsmässig begründeten Kosten nicht immer einfach, da diese oft miteinander verschmelzen. Deshalb sollte im Einzelfall auf eine Verbuchung eines angemessenen Privatanteils geachtet werden.

Remote Work: Das Arbeitsmodell der Zukunft?

Für viele Jugendliche respektive junge Erwachsene ist einer der grössten Vorteile des digitalen
Wandels die damit einhergehende Ortsunabhängigkeit. Jeder Ort mit Internetzugang kann zum Arbeitsort werden, sei dies das eigene Zuhause, ein Café oder die Lobby eines Hotels. Spätestens seit der COVID-19-Pandemie sind viele auf den Geschmack des ortsunabhängigen Arbeitens in Form von Home Office gekommen. Auch Influencer nutzen ihre Ungebundenheit und arbeiten teilweise vom Ausland aus, beispielsweise im Rahmen bezahlter Kooperationen oder mittels selbstfinanzierter so genannter «Workation». Insbesondere bei mehrwöchigen oder monatelangen Auslandsaufenthalten stellt sich somit auch für Influencer Selbständigerwerbende) die Frage, ob sie am Aufenthaltsort steuerpflichtig werden.

Besteuerung bei Remote Work im Ausland

Grundsätzlich sind natürliche Personen in der Schweiz steuerpflichtig, wenn sie ihren steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz haben (Art. 3 DBG). Bei mehreren Wohnsitzen besteht die Steuerpflicht gemeinhin dort, wo die Person die stärkste soziale und wirtschaftliche Bindung hat. Die blosse Aufgabe des Wohnsitzes in der Schweiz reicht in der Regel nicht aus, um die Steuerpflicht zu beenden. Gemäss mehreren einschlägigen Bundesgerichtsentscheiden kann eine Person ihren zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz nur aufgeben, wenn sie gleichzeitig einen neuen Wohnsitz im Ausland begründet. Dies gilt auch für den steuerrechtlichen Wohnsitz. Influencer, die z.B. über den Winter in einem anderen Staat wohnen, befinden sich oft in einer steuerlichen Grauzone, in der sie im Aufenthaltsland nicht richtig fassbar sind. Führen die steuergesetzlichen Regelungen der betroffenen Länder zu einer Doppelbesteuerung, sind grundsätzlich die Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens mit dem jeweiligen Staat anwendbar (sofern die Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem betroffenen Staat geschlossen hat).

Dubai – Das Mekka der Influencer

Anders sieht es aus, wenn Influencer ihren Wohnsitz ganz ins Ausland verlegen. Beliebte Orte
für die Wohnsitzverlegung sind oft Steueroasen wie z.B. Dubai. Das Golf-Emirat ist der Hotspot
schlechthin für Influencer. Es gibt für sie vor Ort in der Regel keine Einkommenssteuern, keine
Sozialversicherungsbeiträge und auch keine Quellensteuern. Zusätzlich scheint die Sonne das
ganze Jahr, es gibt schöne Strände und die Stadt ist aus jedem Winkel fotogen. Es dürfte aber – insbesondere für Schweizer Influencer – oftmals auch aus praktischen Überlegungen schwierig sein, sämtliche Anknüpfungspunkte mit der Schweiz zu kappen und den Schweizer Wohnsitz vollends aufzugeben.

Zusammenfassung

Influencer qualifizieren aus Schweizer Sicht in aller Regel als Selbstständigerwerbende. Sämtliche Einkünfte aus derartigen Tätigkeiten sind im Grundsatz steuerbar, insbesondere auch kostenlose Produkte und Erlebnisse. Ihren Einkünften sind die geschäfts- bzw. berufsmässig begründeten Ausgaben gegenüberzustellen. Insbesondere im internationalen Verhältnis können sich weitreichende Qualifikationsfragen stellen. Bei den ausländischen Einkünften ist die Qualifikation der jeweiligen Einkommensteile massgebend (Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, Lizenzeinkünfte aus Rechten resp. Einkünfte aus künstlerischen Tätigkeiten).
Welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht, ist dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen zu entnehmen, sofern ein solches zwischen der Schweiz und dem entsprechenden Drittstaat besteht.