«Vortragbare Liegenschaftskosten» – eine steuerliche Kuriosität der Umwelt zuliebe

«Vortragbare Liegenschaftskosten» – eine steuerliche Kuriosität der Umwelt zuliebe

«Wir haben unsere Investitionen ins Haus auf zwei Jahre verteilt, damit wir steuerlich alles abziehen können» ist eine Aussage, die wir nicht selten zu hören bekommen. Diese Aussage ist nicht per se unsinnig oder falsch, bedarf aber nach den neusten gesetzlichen Änderungen im Bereich der Liegenschaftskosten einer differenzierteren Betrachtung. Seit der Steuerperiode 2020 können die Kantone gewisse Liegenschaftskosten nicht nur in der Steuerperiode zum Abzug zulassen, in der sie angefallen sind. Insbesondere können Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen auch in den zwei nachfolgenden Perioden abgezogen werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind.

  • Christoph Knupp und Sebastian Götz

Liegenschaftskosten im Allgemeinen
Bei Liegenschaften im Privatvermögen können die Unterhaltskosten, die Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften, die Versicherungsprämien und die Kosten der Verwaltung durch Dritte bei der Ermittlung des steuerbaren Einkommens abgezogen werden. Die Unterhaltskosten sind dabei von den wertvermehrenden Aufwendungen resp. Investitionen zu unterscheiden, da diese nicht als Gewinnungskosten vom steuerbaren Einkommen abziehbar sind. Als wertvermehrende Investitionen gelten Aufwendungen für bauliche Verbesserungen, die nicht nur der Erhaltung der Liegenschaft und deren Nutzungsmöglichkeiten dienen, sondern zusätzlich deren Anlagewert erhöhen. Derartige Aufwendungen mit Anlagekostencharakter werden, soweit sie eine Liegenschaft im Privatvermögen (1) betreffen, bei der Ermittlung einer allfälligen Grundstückgewinnsteuer
berücksichtigt.

Was hat sich geändert?
Neu sind Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen (mitsamt den allenfalls zusammenhängenden Rückbaukosten) in den zwei nachfolgenden Steuerperioden abziehbar, soweit sie in der laufenden Steuerperiode, in welcher die Aufwendungen angefallen sind, steuerlich nicht vollständig berücksichtigt werden können. Diese neue Regelung basiert auf der Bestimmung, dass Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, den Unterhaltskosten gleichgestellt werden können.

Diese neue Regelung basiert auf der Bestimmung, dass Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, den Unterhaltskosten gleichgestellt werden können.

Gesetzliche Grundlagen
Die erwähnte Regelung findet sich einerseits in Bundesgesetz über die Direkte Bundessteuer (DBG) und hat ebenfalls ins Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG) Eingang gefunden.

Mit Blick auf die gesetzliche Grundlage im Steuerharmonisierungsgesetz ist herauszustreichen, dass die Kantone Abzüge für Umweltschutz, Energiesparen und Denkmalpflege vorsehen können. Es handelt sich somit um eine «Kann-Bestimmung».

Die Bestimmung, welche die Abziehbarkeit der Investitionskosten in Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen regelt, wurde von allen Kantonen analog der Regelung des Bundes übernommen, einzige Ausnahme bildet der Kanton Luzern. (2)

Welche baulichen Massnahmen sind betroffen?
Als Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, gelten Aufwendungen für Massnahmen, die zur rationellen Energieverwendung oder zur Nutzung erneuerbarer Energien beitragen.

Diese Massnahmen beziehen sich auf den Ersatz von veralteten und die erstmalige Anbringung von neuen Bauteilen oder Installationen in bestehenden Gebäuden.

Ob eine Aufwendung dem Energiesparen und dem Umweltschutz dient und damit abzugsfähig ist, richtet sich grundsätzlich nach dem Recht der direkten Bundessteuer. Gestützt auf Art. 32 Abs. 2 zweiter Satz DBG hat der Bundesrat die Liegenschaftskostenverordnung (LKV) und das Eidgenössische Finanzdepartement die Verordnung über die Massnahmen zur rationellen Energieverwendung und zur Nutzung erneuerbarer Energien vom 24. August 1992 erlassen, welche die entsprechenden Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen näher umschreiben.

Die Steuerpraxen der Kantone führen mehr oder weniger ausführlich auf, welche Massnahmen unter die erwähnte Gesetzesregelung fallen. Der Kanton St. Gallen erwähnt im Steuerbuch (StB 44 Nr. 5) beispielhaft folgende Massnahmen:

• Verbesserung der Isolation (Wärmedämmung von Decken, Böden, Fenstern und Aussentüren) • Massnahmen zur Vermeidung des Energieverlustes und des Energieverbrauchs in den Bereichen Heizung/Warmwasser, Regel- und Messeinrichtungen und Abluftanlagen/ Umluft-Frischluftanlagen / Lüftungsanlagen / Klimaanlagen
• Kosten für energietechnische Analysen und Energiekonzepte
• Ersatz von Haushaltgeräten mit grossem Stromverbrauch (Kochherde, Backöfen, Waschmaschinen, Beleuchtungsanlagen und dergleichen, soweit diese Geräte in der Gebäudeschätzung mitberücksichtigt sind und die Ersatzgeräte die Energieetikette A oder besser tragen).

Wie kann diese gesetzliche Regelung zum Vorteil des Steuerpflichtigen genutzt werden?
Die Kosten für (umfassende) energetische Sanierungen sind in der Regel sehr hoch. In der Vergangenheit führte dies oftmals dazu, dass aufgrund der abziehbaren Liegenschaftskosten für den Steuerpflichtigen ein negatives steuerbares Einkommen für die betroffene Steuerperiode resultierte. Dieser Überhang konnte nicht in künftigen Steuerperioden zum Abzug gebracht werden und ging somit «verloren».

Verschärfend kam hinzu, dass der Marktwert der Liegenschaft durch werterhaltende Investitionen oder durch bei der Einkommenssteuer nicht abzugsfähige wertvermehrende Investitionen oftmals erhöht wurde. Bei einem späteren Verkauft resultierte deshalb oftmals ein höherer Grundstückgewinn, welcher der Grundstückgewinnsteuer unterliegt.

Durch die Vortragbarkeit von negativen steuerbaren Einkommen, welche aufgrund von Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen entstanden sind, müssen grössere energetische Sanierungen nicht mehr in mehreren Etappen und auf mehrere Steuerperioden verteilt vorgenommen werden, damit kein steuerlicher Nachteil resultiert.

Fazit und steuerliche Einordnung
Die Abziehbarkeit von Investitionen, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, in den zwei nachfolgenden Steuerperioden, setzt steuerliche Anreize für energetische Sanierungen von Liegenschaften im Privatvermögen. Aus Sicht der Steuerpflichtigen eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, auch Liegenschaftskosten, welche höher als das steuerbare Einkommen sind, wirksam zum Abzug zu bringen. Daraus ergeben sich grundsätzlich auch steuerplanerische Möglichkeiten, welche sich positiv (d.h. reduzierend) auf die Steuerlast auswirken können. Insgesamt kann die gesetzliche Anpassung als positiv für die Steuerpflichtigen bewertet werden.

Aus steuersystematischer Sicht ist die angepasste gesetzliche Regelung eine (weitere) Kuriosität. Bisher liess das Schweizer Steuerrecht im Privatvermögen keinen Vortrag von negativen steuerbaren Einkommen auf die nachfolgenden Steuerperioden zu. Aus politischer Motivation und der Umwelt zuliebe wird das Steuerrecht somit einmal mehr als Anreizsystem
zweckentfremdet. Entsprechend quer steht die Regelung in der Landschaft des schweizerischen Steuerrechts.

Die Steuerpflichtigen freut es trotzdem – die Umwelt hoffentlich auch!


(1) Die Beschränkung auf Liegenschaften im Privatvermögen gilt für Kantone mit «dualistischem System» bei der Grundstückgewinnsteuer. In Kantonen mit dualistischem System werden grundsätzlich nur Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken im Privatvermögen mit der Grundstückgewinnsteuer erfasst. Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken im Geschäftsvermögen werden dagegen mit der Gewinn resp. Einkommenssteuer erfasst.
(2) Vgl. dazu die Übersicht im Steuermäppchen für die Steuerperiode 2020 der Eidgenössischen Steuerverwaltung «Einkommenssteuer – Abzug für Liegenschaftskosten».