Individualbesteuerung von Ehegatten – Quo Vadis?

In seiner Sitzung vom 21. Februar 2024 hat der Bundesrat die Botschaft zur Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung» (sog. «Steuergerechtigkeits-Initiative») sowie zum indirekten Gegenvorschlag (Entwurf des Bundesgesetzes über die Individualbesteuerung) verabschiedet. Der Bundesrat empfiehlt die Initiative zugunsten des indirekten Gegenvorschlages zur Ablehnung. Für eine wesentliche Anzahl an Steuerpflichtigen dürfte die Individualbesteuerung weitreichende Folgen mit Blick auf die Steuerbelastung, aber auch mit Blick auf administrative Tätigkeiten, haben

Nachfolgend sollen in einem kurzen Abriss die zentralen Elemente des indirekten Gegenvorschlages in seiner jetzigen Entwurfsfassung skizziert und dargelegt werden, wobei vorgesehen ist, die relevanten Artikel des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer sowie des Steuerharmonisierungsgesetzes vom 14. Dezember 1990 zu ändern. Das Parlament hat bis zum 8. März 2025 Zeit, eine Empfehlung zur Annahme oder Ablehnung der Volksinitiative abzugeben. Die Frist kann um ein Jahr verlängert werden, wenn ein Rat vorher einen Beschluss zum indirekten Gegenvorschlag gefasst hat

Besteuerung aller Personen unabhängig von ihrem Zivilstand

Der Bundesrat beabsichtigt, die Besteuerung von Ehepaaren künftig grundsätzlich an die Regeln für unverheiratete Paare anzupassen. Das heisst, die Zuweisung von steuerbaren Einkünften resp. steuerbarem Vermögen soll in der Regel an die zivilrechtlichen Verhältnisse anknüpfen. Bei Erwerbseinkommen ist auf die Ausübung der Erwerbstätigkeit abzustellen, bei Vermögenserträgen auf die Eigentumsrechte am entsprechenden Wirtschaftsgut, bei Vorsorgeeinkünften und übrigen Einkünften auf die Anspruchsberechtigung. Bewegliches Vermögen soll nach sachenrechtlichen Kriterien (in der Regel also basierend auf den Eigentumsverhältnissen) zugewiesen werden und bei unbeweglichem Vermögen soll in der Regel auf die grundbuchamtlichen Eigentumsverhältnisse abgestellt werden. Die Zuweisung der Abzüge soll dergestalt erfolgen, als dass sie – sofern diese mit steuerbaren Einkünften korrelieren – von derjenigen Person geltend gemacht werden können, die die entsprechenden Einkünfte zugewiesen erhält. Schuldzinsen sollen von der Schuldnerin resp. dem Schuldner gemäss Schuldvertrag geltend gemacht werden können, Beiträge an die erste und zweite Säule sowie an die Säule 3a sollen von der versicherten Person geltend gemacht werden. Im Einzelfall dürften sich bei aktuell gemeinsam veranlagten Ehepaaren individuelle Abgrenzungsfragen ergeben.

Tarifanpassung

Ausgangslage für den Tarif, der für die Individualbesteuerung bei der direkten Bundessteuer gelten soll, ist der geltende Grundtarif für unverheiratete Personen (Stand 1.1.2024). Die Steuersätze für tiefe und mittlere Einkommen werden abgesenkt, der Grundfreibetrag wird erhöht und der Betrag, bei dem der Maximalsatz von 11,5 Prozent erreicht wird, gesenkt. Diese Tarifanpassungen sollen eine gleichmässigere Entlastung der Reform über die Einkommensklassen ermöglichen.

Haftung und Steuerstrafrech

Grundsätzlich sieht der Bundesrat vor, dass Ehegatten jeweils nur für ihre eigene Steuer haften sollen. Für Zwecke des Kindereinkommens resp. des Kindervermögens soll jeder Ehegatte jeweils die Hälfte versteuern. Im Bereich des Steuerstrafrechts sind keine Anpassungen vorgesehen. Grundsätzlich haftet jeder Steuerpflichtige für seine Steuerfaktoren. Wie alle anderen steuerpflichtigen Personen kann ein Ehegatte aber als Teilnehmer an einer Steuerhinterziehung einer anderen Person (z.B. des jeweils anderen Ehegatten) bestraft werden.

Erhöhung und Aufteilung des Kinderabzuges bei der direkten Bundessteuer

Der Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer von heute CHF 6’700 soll auf CHF 12'000 erhöht werden. Die anderen kinderrelevanten Abzüge bei der direkten Bundessteuer, d. h. der Versicherungsabzug für das Kind in der Höhe von max. CHF 700 pro Kind (Art. 33 Abs. 1bis Bst. b E-DBG), der Kinderdrittbetreuungsabzug von max. CHF 25’500 Franken pro Kind (Art. 33 Abs. 3 E-DBG) und der Abzug vom Steuerbetrag in der Höhe von CHF 259 pro Kind (Art. 36 Abs. 2 E-DBG) sollen hingegen nicht erhöht werden.

Die kinderrelevanten Abzüge sollen bei verheirateten oder unverheirateten Paaren mit gemeinsamer elterlicher Sorge bei der direkten Bundessteuer grundsätzlich hälftig zugewiesen werden. Im Einzelfall und insbesondere beim Vorliegen von Unterhaltsleistungen gelten abweichende Regelungen

Übergangsbestimmungen

Für Steuerperioden vor dem Inkrafttreten der Reform soll das alte Recht uneingeschränkt gelten.

Administrative Folgen

Bei Umsetzung der Individualbesteuerung soll gemäss Vorschlag des Bundesrates jede Person ihre Steuerfaktoren in ihrer Steuererklärung deklarieren. Diese Tatsache hat insbesondere in den Kantonen, welche die Hauptlast der administrativen Tätigkeiten im Bereich der direkten Steuern wahrnehmen, aufhorchen lassen: Bei zwei getrennten Steuererklärungen bei Ehepaaren ist gesamtschweizerisch damit zu rechnen, dass die Zahl der zu verarbeitenden Steuererklärungen
um ca. 1,7 Millionen steigt. Dies entspricht einer Erhöhung um rund ein Drittel.

Es bleibt abzuwarten, ob die Vorlage im Parlament noch «feinjustiert» wird. Es scheint aber möglich, dass das fiskalpolitische Ziel der Individualbesteuerung – und damit die endgültige Abschaffung der sog. «Heiratsstrafe» – in greifbare Nähe gerückt ist. Gerne verfolgen wir für Sie weiterhin die gesetzgeberischen Entwicklungen und informieren Sie zu gegebener Zeit

- Christoph Knupp und Sebastian Götz