Neuigkeiten des Bundesgerichts: Einkommenssteuerfreie Rückzahlungen von verdeckten Kapitaleinlagen

Das Bundesgericht hat in seinem zur Publikation vorgesehenen Entscheid 9C_678/2021 vom 17. März 2023 die Beschwerde einer Alleinaktionärin hinsichtlich der Besteuerung der Rückzahlung einer verdeckten Kapitaleinlage gutgeheissen.

Sachverhalt und Entscheid des Bundesgerichts

Die B. AG (nachfolgend «B. AG») mit Sitz im Kanton Nidwalden, deren Alleinaktionärin die natürliche Person A. (nachfolgend «A.») mit Wohnsitz in Nidwalden war, erwarb im Jahr 2003 in Deutschland eine Hotelliegenschaft mit einem auf A. lautenden Erbbaurecht. Vereinfacht dargestellt bilanzierte die B. AG die Liegenschaft aktivseitig (weit) unter dem Anschaffungswert und verbuchte die übernommene Hypothekarschuld passivseitig nicht oder nur teilweise. Die Liegenschaft wurde schliesslich im Zuge der Liquidation der B. AG verkauft. Das Kantonale Steueramt rechnete die Differenz zwischen Verkaufserlös und Buchwert bei der Alleinaktionärin A. als Einkommen (Liquidationsgewinn aus verdeckter Kapitaleinlage) auf. Vor dem Bundesgericht stellten sich die Fragen, ob die unentgeltliche Schuldübernahme durch A. zu Recht als verdeckte Kapitaleinlage charakterisiert wurde und ob die Ausschüttung von verdeckten Kapitaleinlagen von der Vorinstanz gestützt auf Art. 20 Abs. 1 lit. c DBG zu Recht für steuerbar befunden wurde.

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es sich bei der Schuldübernahme ohne Gegenleistung durch A. um eine Kapitaleinlage i.S.v. Art. 20 Abs. 3 DBG handelte. Weil die B. AG die Befreiung von der Hypothekarschuld durch A. nicht in ihren Büchern abgebildet hatte, lag eine verdeckte Kapitaleinlage vor. Entgegen der Auffassung der ESTV (Kreisschreiben Nr. 29c vom 23. Dezember 2022) können gemäss Bundesgericht auch verdeckte (nicht nur separat ausgewiesene, d.h. offene) Kapitaleinlagen nach Art. 20 Abs. 3 DBG einkommenssteuerfrei zurückbezahlt werden. Das Bundesgericht betonte aber, dass dies nur für die Einkommenssteuer und aufgrund des ausdrücklichen Gesetzeswortlauts von Art. 5 Abs. 1 bis VStG nicht auch für die Verrechnungssteuer gelte. Die Beschwerde der Alleinaktionärin A. wurde vom Bundesgericht für zwecke der direkten Bundessteuern sowie der Kantons- und Gemeindesteuern Nidwalden vollumfänglich gutgeheissen.

Auswirkungen auf die Praxis der kantonalen Steuerverwaltungen

Im vorliegenden Entscheid hat das Bundesgericht eine verdeckte Kapitaleinlage beurteilt, welche aus der Ablösung einer Verbindlichkeit der B. AG durch A. stammt. Steuerrechtlich werden zahlreiche Sachverhalte als verdeckte Kapitaleinlage beurteilt. Im Grundsatz entstehen verdeckte Kapitaleinlagen immer dann, wenn Beteiligte Vermögenswerte unterpreislich (d.h. unter dem Verkehrs- resp. Marktwert) in eine selbst beherrschte Gesellschaft einbringen. Für die Praxis stellt sich somit die Frage, wie es sich mit weiteren verdeckten Kapitaleinlagen (z.B. der unterpreislichen Einbringung von Beteiligungen) verhält.

Praktisch bedeutsam dürften auch häufig anzutreffende Lösungsmöglichkeiten des Transponierungstatbestandes nach Art. 20a Abs. 1 lit. b DBG sein. Namentlich Fälle, in denen –um Einkommenssteuerfolgen zu vermeiden – Beteiligungen zum Nominalwert (zuzüglich anteiliger Kapitaleinlagereserven, sog. «Nennwert-Lösung») in eine selbst beherrschte juristische Person eingebracht werden, führen regelmässig zu verdeckten Kapitaleinlagen. Die neue bundesgerichtliche Rechtsprechung öffnet nun die Frage, ob diese verdeckten Kapitaleinlagen zu einem späteren Zeitpunkt von der Gesellschaft ohne Einkommenssteuerfolgen an den Einbringer zurückübertragen werden können (bis zur Höhe des Verkehrswertes im Zeitpunkt der Einbringung). Wie dies für Zwecke der Steuerdeklaration auf Ebene der natürlichen Personen sowie auf Ebene der Gesellschaft, in welche die Beteiligungsrechte eingebracht wurden, zu berücksichtigen ist, ist allerdings noch ungeklärt.

Fazit

Das Urteil 9C_678/2021 vom 17. März 2023 wird aller Voraussicht nach Konsequenzen für die Praxis haben. Dem Vernehmen nach sind die Kantone, welche für die Erhebung der Einkommenssteuern (direkte Bundessteuern und Kantons- und Gemeindesteuern) zuständig sind, noch uneins, wie Rückzahlungen von in der Vergangenheit getätigten verdeckten Kapitaleinlagen im konkreten Einzelfall steuerlich zu behandeln sind. Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Monaten diesbezüglich konkrete Weisungen oder Praxishinweise verfügbar sein werden.